Aachen/Brüssel. Eine gemeinsame Klage von Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen aus Deutschland und den Niederlanden gegen den Betrieb des belgischen Atomreaktors Tihange 2 ist am Donnerstag von einem Gericht in Brüssel abgewiesen worden.
Die Städteregion Aachen hatte mit weiteren Kommunen, Unternehmen und Privatpersonen die Stilllegung des Pannenmeilers in Belgien gefordert, der nur rund 60 Kilometer Luftlinie von Aachen entfernt steht. Bereits vor einem Jahr war die Städteregion mit einer ersten Klagen gegen Tihange gescheitert.
Städteregionsrat Tim Grüttemeier äußerte sich nach dem Urteil vom Donnerstag enttäuscht: „Die Städteregion Aachen, die Stadt Maastricht, die luxemburgische Stadt Wiltz sowie neun natürliche Personen, zwei Bundesländer und zwei Unternehmen aus der Region haben mit uns geklagt. Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass wir sehr gute Argumente vorgebracht haben, damit das gefährliche Spiel der Betreiber mit der Sicherheit von Millionen Menschen endlich ein Ende hat. Insofern enttäuscht dieses Urteil.“ Die Klagegemeinschaft will jetzt die detaillierte Urteilsbegründung analysieren.
Ein Gutes zieht Grüttemeier dann aber doch aus der langen und intensiven juristischen Auseinandersetzung um den maroden Reaktor: „Mittlerweile ist klar geworden, dass es zumindest für diesen gefährlichsten belgischen Meiler Tihange 2 keine Laufzeitverlängerung geben wird und er 2023 vom Netz gehen wird.“ Zwischenzeitlich sei der weitere Betrieb ein konkreter Plan der Betreiber gewesen. Nun sei „zumindest klar, dass die unerträgliche Situation der ständigen Angst vor einem Unfall im schon sichtbar in die Jahre gekommenen Atomreaktor in absehbarer Zeit ein Ende haben wird“. Das sei sicher auch ein Erfolg der Klage, die von allen Fraktionen im Städteregionstag unterstützt wurde“, sagte Tim Grüttemeier. „Ganz besonders danken möchte ich den tausenden Menschen, die über Ländergrenzen hinweg aktiv geworden sind und gegen diese Gefahr aufgestanden sind.“
Die belgische Atomaufsichtsbehörde zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Gerichts, die Klage gegen die Fanc abzuweisen. „Wir haben unsere Arbeit 2015 gut gemacht und sind froh, dass das Gericht dies nun bestätigt hat“, sagte Fanc-Chef Frank Hardeman. AKW-Betreiber Engie-Electrabel müsse seit dem Wiederanfahren des Meilers Tihange 2 regelmäßig überprüfen, dass die Situation im Reaktordruckbehälter stabil bleibe und sich die Zahl und Größe der Wasserstoffflocken („Risse“) nicht verändere, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Die Fanc überwache die Situation, um die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren.
Eine breite Allianz unter Führung der Städteregion Aachen hatte schon Ende 2016 in Brüssel eine Klage gegen den Weiterbetrieb von Tihange 2 auf den Weg gebracht. Sie alle machten ihre persönliche Betroffenheit geltend und klagten wegen einer Gefährdung von Leib, Leben und Gesundheit durch Tihange 2. Die Klage richtete sich gegen den Belgischen Staat, die Föderalagentur für Nuklearkontrolle (FANC) sowie den belgischen Stromversorger und Betreiber der Atomkraftanlage Engie Electrabel.
Nachdem im Jahr 2018 in den Sicherheitsbunkern einiger Tihange-Reaktoren der Abbau von Beton sowie Anomalien in den Stahlverstärkungen festgestellt worden waren, hatte die Klagegemeinschaft Ende Dezember 2018 neue Argumente in das laufende Gerichtsverfahren eingebracht. Angeblich seien zwischenzeitlich Betonbunker saniert worden. Einen Sicherheitsnachweis gibt es indes auch heute noch immer nicht.
Nach rund einem Jahr Stillstand ging Tihange 2 im Juli 2019 wieder ans Netz, musste aber wegen technischer Probleme schon Anfang Oktober 2019 wieder heruntergefahren werden. Mitte Juni 2020 fand die mündliche Verhandlung in Brüssel statt, bei der Klägergemeinschaft und Beklagte ihre Argumente vorgetragen haben. (red)
3. September 2020
Text- und Bildquelle sowie Rechte: Aachener Nachrichten